Diese Woche unterhalten wir uns über das Thema Antibiotika. Wir besprechen, warum Antibiotika ausschließlich gegen Bakterien und nicht gegen Viren wirken. Und welche Therapie-Strategien wir Ärzte im Jahr 2019 verfolgen.

Zum Thema der Woche

Das Thema Antibiotika sorgt auf Patientenseite tagtäglich für große Verunsicherung und liegt mir persönlich daher ganz besonders am Herzen. Denn: im Allgemeinen läuft nämlich nur allzu häufig eine ganze Menge schief – sowohl bei der Anwendung durch den Patienten, als auch auf Seite der “Verschreiber, also der Ärzte. 

Wir wissen: die Zahl an multiresistenten Keimen nimmt stetig zu. Dazu kommt, dass Wissenschaftler auch einen Zusammenhang zwischen der vermehrten Antibiotika-Gabe in der Kindheit und später auftretenden Allergien im Jugend und Erwachsenen-Alter vermuten.

Die Zahl an multiresistenten Keimen, nimmt stetig zu.

Ich bin der Meinung, dass Wissen die wohl wirksamste Waffe im Kampf gegen dieses Problem ist. Drum folgen jetzt fünf recht basische Fakten, die uns zum Einstige in das Thema dienen sollen.

1. Antibiotika sind Substanzen, deren Aufgabe es ist, Bakterien zu töten.

Genau genommen gehören sie zur Gruppe der sogenannten Antiinfektiva – dabei handelt es sich um Substanzen, die zur Abwehr von Infektionen eingesetzt werden. Innerhalb dieser Gruppe, sind Antibiotika für das Abtöten von Bakterien zuständig.

Der Begriff “Anti Bios” heißt frei aus dem griechischen übersetzt “gegen das Leben”. Die einzige Aufgabe, die Antibiotika somit haben, ist es, Leben zu vernichten, nämlich: bakterielles Leben.

Diese Fähigkeit wurde übrigens im Jahr 1928 per Zufall entdeckt: Der schottische Bakteriologe Alexander Fleming forschte damals in England an verschiedenen Bakterien. Er fand heraus, dass sich manche seiner Bakterien in der Nähe eines gewissen Schimmelpilzes nicht mehr fortpflanzen konnten, d.h. die Eigenschaften des Pilzes unterbanden die Ausbreitung der Bakterien.

Fleming nannte diesen Pilz Penicillin – und entdeckte damit (damals lt. Überlieferung noch nichts ahnend), das erste Antibiotikum. Penicillin war ungiftig für Mensch und Tier und wurde letztlich erst Jahre später erstmals als wirksame Behandlung gegen eine schwere, durch Bakterien hervorgerufene Blutvergiftung erfolgreich eingesetzt.

Antibiotika werden seither natürlich ständig weiterentwickelt und gehören heute zur Standard-Therapie bei vielen (durch Bakterien hervorgerufenen) Erkrankungen.

Wir merken uns Anti-Bios = gegen das Leben. Damit erklärt sich nämlich auch Punkt Nr. 2.

2. Antibiotika wirken niemals gegen Viren.

Und das hat einen verblüffenden, wenn auch simplen Grund: Viren, sind per Definition KEINE Lebewesen.

Lebewesen haben einen funktionierenden Stoffwechsels mit dessen Hilfe sie Energie produzieren und nutzbar machen. Viren, tun das nicht!
Viren, sind vereinfacht gesagt lediglich ein Stückchen DNA (also Bauplan) verpackt in einer hübschen Kapsel.

Viren sind zumeist nichts anderes, als ein Stückchen DNA verpackt in einer Kapsel.

Damit sich Viren überhaupt vermehren können brauchen Sie eine gesunde, menschliche Zelle, die sie befallen und in der sie sich mithilfe dieser Zelle vermehren können. Da Viren, genau wie Bakterien, Krankheiten erregen können, werden sie oftmals mit den Bakterien unter dem Titel “Krankheitserreger” in einen Topf geworfen. Doch ihr wisst jetzt den Unterschied: Ein Bakterium lebt, ein Virus nicht.

Ein Virus mit einem Antibiotikum zu bekämpfen ist also in etwa so, als würde man versuchen, mit einem Fliegenpracker einen rostigen Nagel zu erschlagen: Antitiotika sind gegen Viren völlig wirkungslos. 

Viren verursachen weitaus häufiger Bagatell-Erkrankungen als Bakterien.

Das variiert natürlich von Fall zu Fall, aber die meisten Wald-und-Wiesen-Infektionen, die wir Ärzte in der allgemeinmedizinischen Praxis sehen, sind durch Viren verursacht. 

Nehmen wir als Beispiel mal die Bronchitis. Wie bei allen Entzündung der oberen Atemwege sind auch bei der Bronchitis in rund 90% der Fälle Viren und nur in 10% der Fälle Bakterien die Übeltäter.  Und selbst bei diesen 10 Prozent ist häufig ein abwartendes Vorgehen gerechtfertigt. Denn in vielen Fällen, ist das körpereigene Immunsystem gut in der Lage, mit der Infektion fertig zu werden.

Grad im Fall der Bronchitis gibts heute beispielsweise von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin heute sogar schon eine Negativ-Empfehlung zur Verwendung von Antibiotika. Das heißt im Klartext:
der Einsatz von Antibiotika bei der unkomplizierten Bronchitis wird heute ausdrücklich NICHT mehr empfohlen.

Die Aufgabe eures Arztes ist es nun, die entsprechenden Unterscheidung vorzunehmen: also ist der Verlauf der Erkrankung wie in den meisten Fällen unkompliziert oder handelt es sich doch um einen der seltenen Fälle mit komplizierterem Verlauf, in dem Bakterien den Grund für die Infektion darstellen und der Patient ein Antibiotikum braucht. Der Arzt tut dies aber immer auf Basis wissenschaftlich geprüfter Leitlinien und münzt diese dann auf die individuelle Situation des Patienten um.

Am Ende seiner Überlegungen sollte also immer ein kritisches Abwägen darüber stehen, ob ein Antibiotikum wirklich notwendig ist oder nicht. Denn nur wenn dieser Prozess sorgfältig und gewissenhaft stattgefunden hat, ist dessen Einsatz auch wirklich gerechtfertigt.

4. Unsachgemäßer Gebrauch von Antibiotika erhöht die Gefahr von Multiresistenten Keimen.

Schätzungen der britischen Regierung sagen voraus, dass im Jahr 2050 mehr Menschen an einer Infektion durch multiresistente Keime sterben werden, als an Krebs – also vorausgesetzt, es würden bis dahin keinerlei Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Das klingt in der Tat besorgniserregend. Was aber sind multiresistente Keime eigentlich?

Multiresistente Keime sind Bakterien, die im Laufe der Zeit Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt haben, also gewissermaßen immun gegen diese Substanzen geworden sind. Das geschieht meist dann, wenn Antibiotka zu häufig verordnet werden, die Dosis zu gering bemessen ist oder die Behandlung mit zu frühzeitig abgebrochen wird.

Als Kind der 90er möcht ich euch das mal anhand einer schönen Action-Film-Analogie erklären. Stellt euch eine militärische Division vor – unsere Bakterien. In dieser Division gibt es Infanteristen, die etwas spezialisierteren Grenadiere, die nicht zimperliche Spezialeinheit der Aufklärer und irgendwo, als super-toughes Schlusslicht quasi, die harten Hunde vom Jagdkommando. 

Nehm ich die Division als Ganzes unter Beschuss, so haben die Soldaten vom Jagdkommando sicher die besten Voraussetzungen zu überleben, denn sie unterscheiden sich in Sachen Widerstandsfähigkeit und Härte deutlich vom Rest der Division. Will ich sowohl Sie als auch die ganze übrige Division erwischen, muss meine Waffe also 1. stark genug sein um auch einen Jagdkommando-Soldaten zu erledigen und ich muss 2. lange genug “draufhalten” um wirklich alle zu erwischen (zugegeben, das Beispiel wird langsam etwas derb, aber so ähnlich verhält es sich mit unserer Division an Bakterien).

Erwisch ich mit meinem Beschuss nicht alle, dann werden meine überlebenden Jagdkommando-Bakterien ihre Eigenschaften nach und nach an ihre Kinder weitergeben. Und diese neue Generation an Bakterien lebt dann fröhlich vor sich hin und wird mir einen einen weiteren  Kampf – zum Beispiel eine neuerliche Infektion – ganz schön schwer machen.

Es bleibt also ein nicht ganz unerhebliches Risiko mit dem sich daraus ergebenden Fazit: Antibiotika sind Medikamente, die ich als Arzt nur dann verschreiben darf, wenn ich davon überzeugt bin, dass die Risiken der Infektion, die Risiken des Antibiotika-Einsatzes übersteigen und es keine, vernünftige Alternative dazu gibt.

5. In vielen Fällen lautet das Gebot der Stunde: Watchfull-wait

Unterschiedliche Erkrankungen haben unterschiedliche Therapieansätze. Bei vielen Bagatell-Erkrankungen ist aber die “Watchfull-Wait”-Strategie ein super Ansatz. Das heißt: Untersuchen, Schweregrad beurteilen und wenn irgendwie möglich einmal abwarten und in ein bis zwei Tagen nachkontrollieren. 

So wird es heute beispielsweise auch bei der akuten Mittelohrentzündung bei Kindern von den Fachgesellschaften empfohlen: auch hier ist eine Antibiotika-Gabe gleich von Beginn an nur noch in Einzelfällen notwendig und die Watchfull-Wait-Strategie in den Leitlinien klar hervorgehoben. Ein leicht gerötetes Trommelfell sollte erst einmal beobachtet und zu einem späteren Zeitpunkt nachkontrolliert werden, bevor gleich mit einem Antibiotikum behandelt wird. Welche Einzelfälle dann wirklich eine Anitbiotika-Therapie benötigen: auch darüber gibt’s klare Richtlinien, über die euch euer Arzt oder eure Ärztin im Bedarfsfall gerne aufklärt und berät.