Zugegeben, grad jetzt im Winter kann einem die Anzieherei schon tierisch auf die Nerven gehen. Außentemperatur: -4°C. Da heißt’s erst mal Haus durchsuchen: Shirt, Long-Sleeve, Dünne Jacke, Softshell, Hardshell, Schal, Balaclava, Mütze, Tourenhose, Headphones, Trail-Running-Schuhe, Lampe. Und als wär der schiere Gear-Wahn noch nicht genug, kommen dann meist auch noch einmal 10 Minuten Alltag hinzu: Denn deine Frau meinte es gut und hat dein Duftpaket nach dem letzten Run (gottseidank) in die Wäsche gepfeffert. Jetzt liegt dein Funktionsshirt halt irgendwo zwischen Bettwäsche und einem Stapel Ninjago-Shirts. Und als kleines Topping haben die Küken mit deiner Kopflampe dann auch noch Höhlenforscher gespielt. Arrrrgh!
Dennoch, irgendwann kommt er, der Moment, wo du plötzlich da draußen bist. Allein in der Natur – du und deine archaischen Wurzeln. Und um es gleich vorweg zu nehmen: diesen Moment ersetzt kein Laufband dieser Welt.
Aber auch aus gesundheitlicher Sicht, solltest du sehen, dass du wo du nur kannst raus an die Luft kommst. Hier hast du schon mal 7 Gründe, warum…
1. Draußen verbrauchst du mehr Energie
Draußen im Freien verbrauchst du in der Regel mehr Energie als wenn du auf einem Laufband läufst (1). Dies liegt zum einen daran, dass auf dem Laufband ein geringerer Widerstand bei gleichem Bewegungsablauf vollzogen werden muss. Eigentlich logisch, weil das Laufband mit seinem Motor ja einen Teil der Arbeit übernimmt. Dazu addieren sich dann auch noch andere Faktoren wie der Windwiderstand, Bodenunebenheiten und die ständig wechselnden Untergrund-Bedingungen (selbst auf bloßem Asphalt gibt es Unebenheiten).
Freunde des Indoor-Runnings können jetzt übrigens gern ein Argument ins Feld führen: Auf dem Laufband kann man diese “Mehrenergie” durchaus simulieren/kompensieren. Forscher haben nämlich herausgefunden, dass bereits eine am Laufband eingestellte Steigung von nur 1% ausreicht, um diesen Aufwand an Mehrenergie auch auf dem Laufband ausreichend zu simulieren (1).
2. Aktivierung unterschiedlicher Muskelgruppen
Ein ständig wechselnder Untergrund, sowie die zahlreichen, kleinen Unebenheiten auf einer echten Laufstrecke, führen auch zur Aktivierung einer größeren Anzahl an Muskeln als auf dem Laufband. Dein Körper ist ständig dabei, die kleinen Unebenheiten und Hindernisse auszugleichen. Oft, ohne dass du das wissentlich groß mitbekommst.
Das gilt insbesondere für die vielen kurzen Fußmuskeln, die Zwischenknochenmuskeln aber auch für die Muskulatur der Unterschenkel. Der menschliche Fuß ist ein äußerst kompliziertes Gebilde – ihn möglichst vielseitig zu beanspruchen also super-wertvoll.
Übrigens gehen Experten davon aus, dass die extrem unterschiedliche beanspruchte Fußmuskulatur mit ein Grund dafür ist, warum Läufer afrikanischen Ursprungs in der Marathon-Disziplin so erfolgreich sind. Viele von ihnen trainieren von Kindesbeinen an unter einfachsten Bedingungen auf ständig wechselnden Untergründen. Manche von ihnen sogar barfuß (!).
3. Weniger “Überlastungs”-Verletzungen
Bis zu 1300 Schritte absolviert ein Läufer während nur eines Kilometers (!). Wie bei einem Hamster im Hamsterrad, ist dabei die Bewegungsabfolge auf dem Laufband aber immer homogen. Dies kann zu einer Überbeanspruchung der Gelenke und des Bandapparats führen, denn die Last des Laufens ruht immer auf den gleichen, anatomischen Strukturen, anstatt auf unterschiedliche Bereiche des Bewegungsapparats aufgeteilt zu werden.
Wer ein Laufband benutzt, sollte also möglichst oft die Steigung und Geschwindigkeit seines Laufs variieren und seinem Körper auf diese Weise unterschiedliche Bedingungen bieten.
4. Bessere Koordination
Ganz offen: diese Randnotiz hätte man auch oben wo unterbringen können. Es ist quasi selbstredend, dass durch ständig wechselnde Untergründe auch das Koordinationsvermögen trainiert wird.
Überhaupt hat unser Gehirn offensichtlich ein Problem damit, dass wir Bewegungsabläufe körperlich zwar ausführen, das Auge dem Gehirn aber etwas anderes zurückmeldet, nämlich Stillstand. Das ist auch der Grund dafür, dass man sich dem Laufband meist erheblich “schneller” wahrnimmt, als man tatsächlich läuft (2).
5. Schlechte Luftqualität in Fitness-Studios
Frische Luft ist gesund. Eh klar.
Bei diesem Punkt geht es aber nicht um irgendeine Binsenweisheit. Eine Untersuchung aus Portugal zeigte 2012, dass die Blutkonzentration von Formaldehyd, Kohlendioxid, und flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) bei Laufband-Läufern aus insgesamt 12 untersuchten Fitness-Studios, deutlich über den dort erlaubten Grenzwerten lagen (3). Nicht gut.
Dazu kommt, dass trockene Heizungsluft gerade im Winter ein Problem für unsere Gesundheit darstellt, die Schleimhäute austrocknet und so Krankheiten fördern kann.
Superwichtig also, dass dein Fitnessstudio über moderne und geprüfte Anlagen zum Luftaustausch verfügt – oder zumindest des Öfteren stoßgelüftet wird.
6. Auszeit für die Atemwege
Gerade im Herbst und Winter leiden unsere Atemwege unter der trockenen Luft in beheizten Räumen: es kommt zur Austrocknung der Schleimhäute und einer damit verbundenen Schwächung des Immunsystems.
Da in der kalten Jahreszeit die Luft draußen für gemeinhin feuchter ist als drinnen, profitieren die Atemwege besonders von Aktivitäten unter freiem Himmel. Scheint dann zudem auch noch die Sonne, kann der Körper unter Zuhilfenahme der UV-B-Strahlung im Sonnenlicht vermehrt Vitamin D produzieren. Ein Vitamin, welches wichtig für unseren Kalziumhaushalt und die damit verbundene Knochengesundheit ist.
7. Wer draußen trainiert ist glücklicher
Auch kein Schmäh sondern durchaus mit Zahlen und Fakten hinterlegt: Menschen die draußen, insbesondere in grüner Umgebung, Sport betreiben, fühlen sich danach revitalisierter und haben mehr Spannung abgebaut als die Indoor-Kontrollgruppe (4).
Aber mal ehrlich – wer braucht für diese Erkenntnis schon eine Studie?
Mein Fazit
Ich persönlich liebe Sport im Freien! Und das Gefühl, nach einem erfolgreichem Kampf gegen den inneren Schweinehund draußen in der Kälte unter eine heiße Dusche zu steigen: unbezahlbar! Drum rate ich jedem von euch: raus! raus! raus! Es lohnt sich!
Quellenverweise:
- (1) A 1% treadmill grade most accurately reflects the energetic cost of outdoor running, J Sports Sci. 1996 Aug
- (2) Kong et al., Unmatched perception of speed when running overground and on a treadmill. Environ Sci Technol. 2011 Mar 1
- (3) Ramos et al., Exposure to indoor air pollutants during physical activity in fitness centers, building an evironment, Volume 82, December 2014, Pages 349-360
- (4) Thompson et al., Does participating in physical activity in outdoor natural environments have a greater effect on physical and mental wellbeing than physical activity indoors? A systematic review. EnvironSci Technol. 2011 Mar 1